Museum und Ausstellung
PFAHLBAU DER MODERNE
Mitten in Oberschwabens Moorlandschaft besticht das Federseemuseum schon äußerlich mit seinem klaren, von der Bauhaus-Architektur geprägten Gebäude. Auf Betonstelzen ins Wasser gestellt gleicht der Atriumbau aus Holz und Glas einem modernen Pfahlbau, der ästhetisch über dem Wasser und der umgebenden Riedlandschaft zu schweben scheint.
Einzigartige Funde – Faszinierende Fakten
Die Attraktivität des Federseemuseums liegt in der gelungenen Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Im ruhigen Inneren des Museums erwartet den Besucher einzigartige Originalfunde, darunter auch wertvolle Artefakte aus den nahe gelegenen Welterbestätten.
Eindrucksvoll präsentiert, modern inszeniert und zeitgemäß gestaltet – “15.000 Jahre Leben am See” werden in der anschaulich aufbereiteten Dauerausstellung wieder lebendig: “Großes Kino” auf 500m2 Ausstellungsfläche in einem beachtenswerten Museum, das seit seiner Eröffnung im Jahre 1968 immer wieder für Aufsehen sorgt.
Wer hierher an den Federsee kommt, befindet sich in einer wahren Fundgrube oberschwäbischer Archäologie und einem “hotspot” siedlungsarchäologischer Forschung in Europa. Denn der feuchte Moorboden hat es in sich: Er ist das perfekte Konservierungsmittel für Dinge, die man im täglichen Leben braucht … praktisch ohne Verfallsdatum, über Jahrtausende hinweg. Und genau das macht die Einzigartigkeit und die Qualität der Funderhaltung im Federseeried aus; ein Alleinstellungsmerkmal, das kaum eine andere Region in Deutschland zu bieten hat.
So kommt es nicht von ungefähr, dass vier Pfahlbausiedlungen am Federsees seit 2011 den begehrten UNESCO-Welterbe-Titel tragen. Und dieses UNESCO-Label verpflichtet. Daher liegt es auf der Hand, dass die Prähistorischen Pfahlbausiedlungen den Schwerpunkt der Ausstellung bilden.
Ein Rundgang durch 15.000 Jahre Leben am See
Als Einstieg: Archäologie im “Zeitraffer”
Von den eiszeitlichen Rentierjägern über die Prähistorischen Pfahlbauten bis zu den Kelten am See.
Mit einem chronologischem Überblick beginnt der Einstieg bei den eiszeitlichen Rentierjägern an der nahe gelegenen Schussenquelle (ca. 15.000 v. Chr.). Ein geschützter und beliebter Lagerplatz, von dem aus man den Rentierherden auf ihren saisonalen Wanderungen auflauerte.
Auch nach dem Rückzug der Gletscher war der Federsee ein bevorzugter Aufenthaltsort für die letzten Jäger und Sammler: Bislang sind 60 mittelsteinzeitliche Fundstätten bekannt, sowohl auf den nahe gelegenen Hügeln und Kuppen, als auch im Verlandungsbereich unmittelbar am damaligen Strand. Das Leben am See ging einher mit Jagd- und Fischfang.
Die ersten Dörfer am Federsee entstanden um 4.000 v. Chr. in der Jungsteinzeit. In den in Haufen und Zeilen angeordneten Häusern lebten bis zu 200 Menschen, deren Lebensgrundlage Ackerbau und Viehzucht waren.
Rund 1.000 Jahre später änderten sich mit der Einführung von Rad und Wagen auch die Siedlungsformen: Straßendörfer entstanden, deren überaus große Häuser auf eine zentrale Dorfstraße ausgerichtet waren. Mit dem Anbau von Lein und der Textilverarbeitung entstehen erste gewerbliche Spezialisierungen, wie wir sie beispielsweise in den Welterbestätten von Alleshausen und Olzreute nachweisen können. Zudem nahmen Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung in dieser Zeit deutlich an Fahrt auf.
In der Bronzezeit (ab ca. 2.000 v.Chr.) entwickelte sich der Federsee zu einem wichtigen überregionalen Verkehrsknoten, in dem Waren aus aller Welt umgeschlagen und weiterverhandelt wurden. Regelrechte Burgen entstanden, die den Handel zu schützen wussten und gleichzeitig Ausdruck von Macht und Reichtum waren:
Die im 18. Jahrhundert v.Chr. am Südufer des Federsees errichtete Siedlung Forscher ist eine von vier Welterbestätten am See. Markant ist ihr starkes, mehrfach gegliedertes Befestigungssystem. Geschützt platziert und strategisch günstig gelegen, war diese “Burg im Moor” auch ein hervorragender Kontrollpunkt für die transalpine Fernverbindung vom Alpenrhein über den Federsee bis an die Donau und weiter nach Südosteuropa.
Die “Wasserburg Buchau” (um 1.000 v. Chr.) ist heute eine der bedeutendsten spätbronzezeitlichen Fundstätten nördlich der Alpen. Mit der Vielzahl von Funden in einzigartiger Qualität – darunter Wagenteile, ein Scheibenrad, Gussformen, Reste eines Pferdegeschirrs oder Kultgegenstände – ging diese Moorsiedlung als “Schwäbisches Troja” in die Forschungsgeschichte ein.
Der chronologische Überblick endet mit der Fischfanganlage aus Oggelshausen. Frühe Kelten errichteten hier um 700 v.Chr. kleine Pfahlbauten, die Teil einer ausgeklügelten, bereits industriell betriebenen Fischfangstation sind.
Zahlreiche Haus- und Siedlungsmodelle bereichern diesen ersten Ausstellungsteil und vermitteln ein greifbares Bild der Besiedlungsgeschichte des Federsees, von den ersten Pfahlbauten bis zu den Burganlagen der Bronzezeit.
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Im Anschluss: 4.000 Jahre Pfahlbauten am Federsee im “Detail”
Im weiteren Verlauf schließen sich speziell aufbereitete Themenkomplexe an, die den Alltag der Siedler im Moor beleuchten.
Alles unter einem Dach vereinigte sich im Haus, das jeweils wie ein eigener Wirtschaftsbetrieb fungierte und alles enthielt, was ein bäuerlicher Betrieb zum Leben brauchte: Mittelpunkt war die Feuerstelle, persönliche Sachen lagerten neben Erntevorräten, Saatgut und Arbeitsgeräten, in kalten Wintern kam auch das Vieh mit ins Haus.
Zwischen Wald und Flur wurde der Boden bearbeitet und mit Getreide bestellt, zunächst mit Emmer, Nacktweizen und Gerste, später auch mit Dinkel. Technische Innovationen – wie die Entwicklung des Pfluges – haben den Ackerbau im Verlauf der Jahrtausende zunehmend intensiviert. Aus den anfänglich kleinen, inselartigen Feldern entstanden in der Bronzezeit offene, von Feldern und Wiesen geprägte Landschaften.
Stellte die Jagd auf Wild zunächst noch einen wesentlichen Teil der Ernährung dar, so war die Versorgung mit fleischlicher Kost spätestens seit der Bronzezeit durch eine intensive Rinderzucht gesichert. Erstmals spielte jetzt auch die Milch- und Käseproduktion eine beachtliche Rolle; zudem hatte die Zucht von Wollschafen erheblichen Einfluss auf die Textilproduktion.
Der Artenreichtum an Fischen wie auch an Wasservögeln und -pflanzen war für die damaligen Menschen ein ganz wesentlicher Beweggrund, sich hier niederzulassen. So spielte seit jeher der Fischfang spielte in der Versorgung der Dörfer eine ganz wesentliche Rolle; mit den überlieferten Fischfanggeräten – Netzen, Reusen, Harpunen und Angelhaken – ließen sich alle Fischarten gezielt bejagen.
Die Flotte im Moor bildeten die Einbäume. Nirgendwo sonst in Europa sind so viele Einbäume entdeckt worden wie am Federsee. 57 dieser robusten, aus einem Baumstamm gefertigten Wasserfahrzeuge stammen aus der Bronzezeit und dienten dem Personen- und Warenverkehr.
Die ersten Wagen rollten offenbar auch am Federsee. Denn die dort gefundenen Radteile stammen aus der Zeit um 3.000 v.Chr. und zählen somit zu den ältesten Scheibenrädern der Welt. Zusammen mit bronzezeitlichen Achsen und Rädern und den zahlreichen, das Moor überwindenden Wegen und Straßen können am Federsee viertausend Jahre Verkehrsgeschichte detailliert rekonstruiert werden.
Kleidete man sich zunächst fast ausschließlich mit Leder oder Textilien aus Baumbast, so gewinnt die Leinverarbeitung ab der späten Jungsteinzeit erheblich an Bedeutung. Die Welterbestätten von Alleshausen und Olzreute belegen eindrucksvoll, dass sich in dieser Zeit offenbar ganze Siedlungen auf den Anbau von Lein spezialisiert hatten. Erst in der Bronzezeit wird dieser Boom gebrochen – mit der Zucht von Wollschafen standen nunmehr auch Stoffe aus Wolle zur Verfügung.
Der neue Werkstoff Bronze, einer Legierung aus 90% Kupfer und 10% Zinn, wurde zum begehrten Metall für immer weiter entwickelte Gusstechniken. Kupfer kam aus den Alpen und Zinn aus Cornwall und der Bretagne an den Federsee, was zu intensiven Handelsbeziehungen und regelrechtem Fernverkehr führte. Mit seiner Lage an der europäischen Wasserscheide und seiner Anbindung an die beiden großen europäischen Flusssysteme war der Federsee ein Verkehrsknotenpunkt dieses europaweiten Netzes des Güteraustausches.
Zum Schluss: Glauben im “Fokus”
Einzigartig ist eine Totenmaske am Federsee, von der es nur drei weitere ähnliche Fundobjekte in ganz Europa gibt. So außergewöhnlich wie sensationell auch deshalb, weil sie eine der seltenen Zeugnisse aus der frühen Glaubenswelt der Jungsteinzeit darstellt. Sie gehört in die Frühphase der Pfahlbauzeit und offenbart einen Ahnenkult, der augenscheinlich fester Bestandteil religiöser Riten und Feste war. Mit bemerkenswerten Exponaten zur Götterverehrung in der Bronzezeit erreicht die Spiritualität des Menschen ihren Höhepunkt im Glauben an nur einen Sonnengott und führt uns damit zu den Wurzeln unserer eigenen Religion.
Das Federseegebiet birgt eine außergewöhnliche Geschichte. Das Federseemuseum macht sie sichtbar in seiner Dauerausstellung zu 15.000 Jahren Leben am See.
Noch ein Hinweis:
Für den Rundgang durch das Museum sollten ca. 60 Minuten eingeplant werden. Die Dauerausstellung ist für Rollstuhlfahrer durchgängig barrierefrei. Wir empfehlen Besuchern mit einer Behinderung jedoch, eine Begleitperson mitzunehmen, insbesondere für den anschließenden Rundgang durch das archäologische Freigelände.